Gedichte/

 

Wilhelm Busch

 

Buch des Lebens

 

Haß, als Minus und vergebens,

Wird vom Leben abgeschrieben.

Positiv im Buch des Lebens

Steht verzeichnet nur das Lieben.

Ob ein Minus oder Plus

Uns verblieben, zeigt der Schluß.

 

Wenn alles sitzen bliebe

 

Wenn alles sitzen bliebe,

Was wir in Haß und Liebe

So voneinander schwatzen;

Wenn Lügen Haare wären,

Wir wären rauh wie Bären

Und hätten keine Glatzen.

 

 

Früher, da ich unerfahren

 

Früher, da ich unerfahren

Und bescheidner war als heute,

Hatten meine höchste Achtung

Andre Leute.

 

Später traf ich auf der Weide

Außer mir noch mehr Kälber,

Und nun schätz ich, sozusagen,

Erst mich selber.

 

Die Selbstkritik hat viel für sich

 

Die Selbstkritik hat viel für sich.

Gesetzt den Fall, ich tadle mich:

So hab ich erstens den Gewinn,

Daß ich so hübsch bescheiden bin;

Zum zweiten denken sich die Leut,

Der Mann ist lauter Redlichkeit;

Auch schnapp ich drittens diesen Bissen

Vorweg den andern Kritiküssen;

Und viertens hoff ich außerdem

Auf Widerspruch, der mir genehm.

So kommt es denn zuletzt heraus,

dass ich ein ganz famoses Haus.

 

C. F. Meyer

Chor der Toten

Wir Toten, wir Toten sind grössere Heere
Als ihr auf der Erde, als ihr auf dem Meere!
Wir pflügten das Feld mit geduldigen Taten,
Ihr schwinget die Sicheln und schneidet die Saaten,
Und was wir vollendet und was wir begonnen,
Das füllt noch dort oben die rauschenden Bronnen,
Und all unser Lieben und Hassen und Hadern,
Das klopft noch dort oben in sterblichen Adern,
Und was wir an gültigen Sätzen gefunden,
Dran bleibt aller irdische Wandel gebunden,
Und unsere Töne, Gebilde, Gedichte
Erkämpfen den Lorbeer im strahlenden Lichte,
Wir suchen noch immer die menschlichen Ziele -
Drum ehret und opfert! Denn unser sind viele!  

 

Georg Trakl

 

Confiteor 

 

Die bunten Bilder, die das Leben malt

Seh' ich umdüstert nur von Dämmerungen,

Wie kraus verzerrte Schatten, trüb und kalt,

Die kaum geboren schon der Tod bezwungen.

 

Und da von jedem Ding die Maske fiel,

Seh' ich nur Angst, Verzweiflung, Schmach und Seuchen,

Der Menschheit heldenloses Trauerspiel,

Ein schlechtes Stück, gespielt auf Gräbern, Leichen.

 

Mich ekelt dieses wüste Traumgesicht.

Doch will ein Machtgebot, daß ich verweile,

Ein Komödiant, der seine Rolle spricht,

Gezwungen, voll Verzweiflung - Langeweile!

 

Oskar Blumenthal

 

O heischt nicht,

daß man kühl und achtsam

im Grenzbild seiner Kräfte lebt

und dass man

niemals unbedachtsam

das eigene Können überstrebt.

Die Selbstvergrößerung

Rausch und Wonne

Erhält lebendig mich und dich –

Denn jeder braucht,

wie Luft und Sonnen,

den Abergauben an sein Ich.

 

Justinus Kerner

 

Der Wanderer in der Sägmühle

 

Dort unten in der Mühle

Saß ich in süßer Ruh'

Und sah dem Räderspiele

Und sah den Wassern zu.

 

Sah zu der blanken Säge,

Es war mir wie ein Traum,

Die bahnte lange Wege

In einen Tannenbaum.

 

Die Tanne war wie lebend,

In Trauermelodie,

Durch alle Fasern bebend,

Sang diese Worte sie:

 

Du kehrst zur rechten Stunde,

O Wanderer, hier ein,

Du bist's, für den die Wunde

Mir dringt ins Herz hinein!

 

Du bist's, für den wird werden,

Wenn kurz gewandert du,

Dies Holz im Schoß der Erden

Ein Schrein zur langen Ruh'.

 

Vier Bretter sah ich fallen,

Mir ward's ums Herze schwer,

Ein Wörtlein wollt' ich lallen,

Da ging das Rad nicht mehr.

 

Die schwerste Pein

 

Im Feuer zu verbrennen,

Ist eine schwere Pein,

Doch kann ich eine nennen,

Die schmerzlicher mag sein.

 

Die Pein ist's, das Verderben,

Das Los, so manchem fällt:

Langsam dahinzusterben

Im Froste dieser Welt.

 

Todesnacht

 

Süß ist wohl nach lautem Leben

Eines langen Schlafes Ruh',

Würd' der Tod mir diese geben,

Ging' ich gern dem Grabe zu.

 

Traumlos möcht' ich schlafen stille

Dann die lange Todesnacht,

Wie die Pupp' in dunkler Hülle,

Bis der Schmetterling erwacht.

 

Wer machte dich so krank?

 

Daß du so krank geworden,

Wer hat es denn gemacht? -

Kein kühler Hauch aus Norden

Und keine Sternennacht.

 

Kein Schatten unter Bäumen,

Nicht Glut des Sonnenstrahls,

Kein Schlummer und kein Träumen

Im Blütenbett des Tals.

 

Kein Trunk vom Felsensteine,

Kein Wein aus vollem Glas,

Der Baumesfrüchte keine,

Nicht Blume und nicht Gras.

 

Daß ich trag Todeswunden,

Das ist der Menschen Tun;

Natur ließ mich gesunden,

Sie lassen mich nicht ruhn.

 

Franz Grillparzer

 

In der Fremde

Schon bin ich müd zu reisen,
Wär's doch damit am Rand,
Vor Hören und vor Sehen
Vergeht mir der Verstand.

So willst Du denn nach Hause?
O nein! Nur nicht nach Haus!
Dort stirbt des Lebens Leben
Im Einerlei mir aus.

Wo also willst Du weilen?
Wo findest Du die Statt?
O Mensch, der nur zwei Fremden
Und keine Heimat hat.

(1843)  

Sylvia Plath    

The Dead

 

Revolving in oval loops of solar speed,

Couched in cauls of clay as in holy robes,

Dead men render love and war no heed,

Lulled in the ample womb of the full-tilt globe.

 

No spiritual Caesars are these dead;

They want no proud paternal kingdom come;

And when at last they blunder into bed

World-wrecked, they seek only oblivion.

 

Rolled round with goodly loam and cradled deep,

These bone shanks will not wake immaculate

To trumpet-toppling dawn of doomstruck day :

They loll forever in colossal sleep;

Nor can God's stern, shocked angels cry them up

From their fond, final, infamous decay.

 

Doom of Exiles

 

Now we, returning from the vaulted domes

Of our colossal sleep, come home to find

A tall metropolis of catacombs

Erected down the gangways of our mind.

 

Green alleys where we reveled have become

The infernal haunt of demon dangers;

Both seraph song and violins are dumb;

Each clock tick consecrates the death of strangers

 

Backward we traveled to reclaim the day

Before we fell, like Icarus, undone;

All we find are altars in decay

And profane words scrawled black across the sun.

 

Still, stubbornly we try to crack the nut

In which the riddle of our race is shut.

Anne Sexton

Wanting to Die

 

Since you ask, most days I cannot remember.

I walk in my clothing, unmarked by that voyage.

Then the almost unnameable lust returns.

 

Even then I have nothing against life. 

I know well the grass blades you mention,

the furniture you have placed under the sun.

 

But suicides have a special language.

Like carpenters they want to know which tools.

They never ask why build.

 

Twice I have so simply declared myself,

have possessed the enemy, eaten the enemy,

have taken on his craft, his magic.

 

In this way, heavy and thoughtful,

warmer than oil or water,

I have rested, drooling at the mouth-hole.

 

I did not think of my body at needle point.

Even the cornea and the leftover urine were gone.

Suicides have already betrayed the body.

 

Still-born, they don't always die,

but dazzled, they can't forget a drug so sweet

that even children would look on and smile.

 

To thrust all that life under your tongue!--

that, all by itself, becomes a passion.

Death's a sad Bone; bruised, you'd say,

 

and yet she waits for me, year after year,

to so delicately undo an old wound,

to empty my breath from its bad prison.

 

Balanced there, suicides sometimes meet,

raging at the fruit, a pumped-up moon,

leaving the bread they mistook for a kiss,

 

leaving the page of the book carelessly open,

something unsaid, the phone off the hook

and the love, whatever it was, an infection.

 

Robert Burton

 

Maniacus

 

Doch seht nur, wie der Irre rast,

Mit wildem Blick, das ist kein Spaß!

Halbnackt in Ketten, treibst ihn um,

Er brüllt und schäumt, weiß nicht, warum;

Schau gut hin: dieser Spiegel zeigt

Dein Bild, wenn Dich der Jähzorn treibt;

Halt dies Porträt nur wert und lieb:

Du oder er? Kein Unterschied

 

Josef Weinheber

 

Wien wörtlich

 

… Wien

lobt mir diese Stadt

Holde Frau und Mutter, Königin…

 

Vom Schreiberweg geht es hinein,

Ein Hauserl steht mitten im Wein.

 

Im Glase schimmert grün der gepflegte Wein,

und noch wie einst legt sich der Nachwind

kühl in die schwärzlichen Nussbaumkronen.

 

Das Grobe lässt fremd und allein.

Am Ende doch tröstet der Wein.

 

Ist jetzt auch nicht mehr Inflation

Man schränkt sich eben ein.

 

Doch deshalb trinkst heut abend schon

Mit mir ein Glaserl Wein.

 

Das bißchen Wein, das südwärts noch gedeiht,

lockt Sonntags kleine Leute in die Schenken.

 

Melancholie streift sanft durch die Alleen,

liegt als Musik auf den gelösten Lehnen.

Und steigst du höher, siehst du fern und schön

Die heißgeliebte Stadt ins Blau sich dehnen.

 

Nie wird ich Kind die Näh der Mutter meiden,

ob auch die Mutter mich zu lieben schwanke.

Leicht wie im Traum gelingts, mich zu entscheiden.

Denn zwischen ihr und mir ist keine Schranke.

 

Edward Thomas

 

Wäre doch Hoffnung – nicht Gesundheit, nicht Freude

Denn sie können kommen und wieder gehen

Wie eine kurze Stunde bezeugt –

Nur die Hoffnung ist dahin.

 

Thomas Chatterton

 

Was macht es schon, ob Strick, ob Gürtel

 

Da wir nur einmal sterben können, was macht es schon,

Ob Strick, ob Gürtel, Gift, Pistole oder Schwert,

Langsame Auszehrung oder jähes Platzen

Einer Ader in den edlen teilen

Das Elend dieses Lebens uns verkürzen?

Der Ursachen sind viele, die Wirkung ist sich gleich:

Sie alle führen zu demselben Ende.

 

Emanuel Geibel

 

Hoffnung

 

Und dräut der Winter noch so sehr

Mit trotzigen Gebärden,

Und streut er Eis und Schnee umher,

Es muß d o c h Frühling werden.

 

Und drängen die Nebel noch so dicht

Sich vor den Blick der Sonne,

Sie wecket doch mit ihrem Licht

Einmal die Welt zur Wonne.

 

Blast nur ihr Stürme, blast mit Macht,

Mir soll darob nicht bangen,

Auf leisen Sohlen über Nacht

Kommt doch der Lenz gegangen.

 

Da wacht die Erde grünend auf,

Weiß nicht, wie ihr geschehen,

Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf,

Und möchte vor Lust vergehen.

 

Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar

Und schmückt sich mit Rosen und Ähren,

Und läßt die Brünnlein rieseln klar,

Als wären es Freudenzähren.

 

Drum still! Und wie es frieren mag,

O Herz, gib dich zufrieden;

Es ist ein großer Maientag

Der ganzen Welt beschieden.

 

Und wenn dir oft auch bangt und graut,

Als sei die Höll' auf Erden,

Nur unverzagt auf Gott vertraut!

Es muß d o c h Frühling werden

William Cowper

Hatred and vengeance, my eternal portion

Hatred and vengeance, my eternal portion,

Scarce can endure delay of execution,

Wait, with impatient readiness, to seize my

Soul in a moment.

 

Damned below Judas:  more abhorred than he was,

Who for a few pence sold his holy Master.

Twice betrayed Jesus me, this last delinquent,

Deems the profanest.

 

Man disavows, and Deity disowns me:

Hell might afford my miseries a shelter;

Therefore hell keeps her ever hungry mouths all

Bolted against me.

 

Hard lot! encompassed with a thousand dangers;

Weary, faint, trembling with a thousand terrors;

I'm called, if vanquished, to receive a sentence

Worse than Abiram's.

 

Sent quick and howling to the center headlong;

I, fed with judgment, in a fleshly tomb, am

Buried above ground.

 

Bei lebendigem Leib begraben

 

Umgeben von tausend Gefahren,

müde, kraftlos, vor tausend Schrecken zitternd

bin ich (…) in einem Sarg aus Fleisch

bei lebendigem Leib begraben.

 

Ernst Jandl

 

Sommerlied

 

Wir sind die menschen auf den wiesen

Bald sind wir menschen unter den wiesen

Und werden wiesen und werden wald

Das wird ein heiterer landaufenthalt

 

von schlafkunst

 

daß kunst nicht jeden zeits verfügbar ist,

weiß jedes christ/kind: der glaub bedarf

des gottes gunst (gnad auch geheißen); des

koochen kunst verdarb schon manchen brei

(von der köchin gar nicht zu reden). ein ei

ist eben kein ei, sondern ein vorbereit

auf das mensch und auf das henne. und wie

verschieden sie dann sind … es merkt

das mensch vom menschen es, vom henne

das henne. hier aber sein, wie sagt das titel,

von schlafenskunst, schlafkunst, ein reden.

(es sei dies ein rhetoriken gedichten).

 

allabends wähle ich, ein demokrat,

der unter bier, wein, schnaps bereits gewählet hat,

unter der schlafkunst mitteln sorgsam aus

und selten mehr als drei verschiedenes

(hoffend auf gegenseitig potenzierung,

abendgebetes nachtfahr, später der impotenzangst),

a l s  i m  h a u s e  d a  s i n d (stand vom 27.2.78):

temesta 2,5; mozambin plus; betadorm n (in brd

rezeptfrei!); truxal, truxaletten (letztere bis zu

6 stück; auch 10 noch möglich); perdormal (achtung

barbiturat; 2 phiolen immer parat haben); valium 5;

limbitrol; sinebarbro; novo-dolestan (in brd rezeptfrei;

völlig gleiche zusammensetzung wie betanorm n, s.o.);

beiden wurde das brom entzogen; zwei verschiedene

firmen; völlig unterschiedliche packungen); valdispert

(baldrianzeug in drageeform ohne effekt); metodril;

adumbran; adalin (bromhältig; in brd bislang rezeptfrei).

 

zudem durchsuche ich, und segne, was

Dr. med. paul lüths »medikamentenbuch«,

du uns, mein süßer poesieverlag (die luchterhand),

bescheret hast, nun schon im selbstgemachten bett,

(geb gott, daß keinen hausfrau ich nie hätt),

nach den dies abends angewandten; den übrigen; zuletztden nie gehabten, zahlreich (hoffnungsstreif!),

und werde zürnend (scheucht selbst tablettenschlaf) ob

unauffindbarkeit der meisten eigenen.

 

das bett nicht hütend (nicht permanet)

folge ich zwiefach mich-ergebens-zwang:

dem gang zum kücken (küchen), brot, wurst obst zu schlingen, und dem tabak-zwang, zigarett zu rauchen,

was ich, um nicht zu brennen, nur berauscht

im bett vollziehe, dann meist armgestützt,

ersehnte schlafkunst fünf minut zu hindern.

(nahezu nie kommt alkohol ans bett: nötiges füllen

zur kräftigung des denkens und der pillen

erfolgt des abends früher; hab dann an bettlektüre wiederhol-genuß; les mehrfach wort und satz, eh ich erfaß, dass ich sie nicht versteh, verwandle so

jegliches buch in eins von gertrude stein.

erlern jedoch auch nicht dadurch die schlafkunst).

 

der schlafkunst einzig sichres zeichen, und dazu

muß ich vom bett weg, nennt sich ATAXIE:

da geh ich langsam, kniescheib nicht zu schmettern,

da geh ich langsam langsam in die knie

und rutsch dann, wahnsinniger wahllfahrtsweis,

mit händen fassend jedes feste stück,

denn auch auf knien fällt man vor, zurück

und seitwärts in dem zustand;

rutsch langsam darauf zu, was ich als bett,

mein bett, ganz klar erkenne; der denkwurm

ist nicht ausgestampft, im gegenteil:

könnte nicht klarer sein, könnte aber

durch ein gewaltsam hinfallen auf hartes

dieses in stiefel, sich in brei verwandeln.

 

folgenden morgens – gut war diese nacht –

werd ich von mir früh aus dem bett gebracht,

um sieben schon hör ich nachrichtendreck

taste ihn weg und schalte

zum beispiel sonny rollins ein, auf platte, zum Beispiel für das Saxophon als latte, die nie

herunterfällt; was interessant für manchen

Hausfrau wäre (ich habe nicht die ehre).

 

dann spüre, wenn ich mich abort- und waschwärts führe,

ich immer noch ein wenig ATAXIE,

nicht groß genug zum niedergang aufs knie

(kindes morgengebetes erinnerung),

doch groß genug zu vorsichtigem schritt

und händehalt an stuhl, tür, wanne, schrank.

drauf füll ich mich mit vitaminen, saridon,

antidepressiva, energetika, analeptika, kaffee, kaffee,

und werde bis zum abend nicht mehr krank (bis auf

pelzzunge und ausreichend hellen dumpfkopf,

die in meinem wachsystem

als gesundheitssymptome rangieren).

 

Mit freundlicher Erlaubnis der Inhaberin der Website http://www.meinewebseite.net/nikisha mit Dank hier veröffentlicht."

Gegensätze

 

Es geht um das verzweifelte Streben nach Einigkeit.

Es geht um totale Harmonie,

um das Vergessen des Nicht-Passenden.

Es geht um die eine Richtung.

Um den einen Weg, der uns führt,

um das eine Denken.

Nur um das lachende Auge

Um die Konfrontation, der wir uns nicht stellen wollen.

So schließen wir die Augen und

spielen das alte Spiel.

Seh ich Dich nicht - Siehst Du mich nicht.

Doch falsch.

 

Es gibt sie trotzdem:

 

Die GEGENSÄTZE

 

(Nikisha 2003)

  

Seelenhunde

 

Gedanken schwingen ihre Flügel wieder

auf und nieder, auf und nieder

schlagen heftig auf und ab

wollen hoch hinaus, fernab.

 

immer wilder, Flügelschlagen

kann ich’s bald nicht mehr ertragen.

und ich denk ich kann nicht mehr

denn sie werden gar so schwer.

 

Und von Sekunde auf Sekunde

sind sie weg die Seelenhunde.

und das was nur noch bleibt

ist die end und hoffnungslose Einsamkeit....

 

(Nikisha 2003)

 

Der Narr

 

Sag mir wie es ist im Licht

Sag mir wie es ist, wenn das Licht sich in Deinem Schatten bricht!

So sag, so sag es mir.

bebe voller Gier

nach wissen und Gedanken,

die einen Menschen so nach Mensch riechen lassen.

 

Wer spricht da und wem sollt ich trauen?

Der da einfach wagt zu fragen?

Solch .. wirklich komische Fragen?

Antworten nun aus ganzen Sätzen bauen?

Das will ich nicht, das will ich nicht!

nicht für Euch!

 

So halte ein.

Du weißt doch gar nicht...

 

Ihr wisst doch selbst nichts oder würdet Ihr

sonst fragen was das Licht mir gibt,

was ich tue, damit.. damit es sich bräche?

Fragtet Ihr nicht dies?

 

Oh junger Narr, oh junger Narr....

 

Ich bin ein junger Narr für euch?

Ist nicht närrisch der, der so gar nicht weiß, dass Narren bescheuert sind?

Nur Narren?

 

Du denkst, dass...

 

Ich denk, dass was? Dass Narren keine normalen Menschen sind! Oh ja!

Narren sind Narren sind Narren sind Narren.

Immer!

Und ich bin keiner! So merkt euch dies!

 

Ich merke. Ich merke aber auch,

dass Du wohl nicht, die Fragen hörtest, die Fragen, die ich stellte.

Die Frage nach dem Licht, oder wie es in Dir bricht.

 

Ich bin kein Narr, ich bin kein Narr!

Und ich weiß die Fragen, die Ihr mir gestellt habet.

Das Licht?

Das Licht ist da. ich auch. Mag sein, dass es manchmal in mir bricht.

Aber ich bin kein Narr! Versteht Ihr das nicht?

 

Das merkte ich bereits.

 

Na gut! Dann ist gut, ist gut ist gut.

Womit ich euch dann doch alles beantwortet habe.

Ihr fragtet, ob ich ein Narr sei, und ich bin keiner.

 

(Nikisha 2003)

  

Die Sucht nach Reim

 

Liebe Zeile, sage mir

Was geht vor – ganz tief in Dir?

Oder willst Du nur mit Heimverlangen

Dass die Wörter winden sich wie Schlangen?

So weiß ich nichts in jener Stund’

Wenn ich Dich les’ – mein Versverbund!

 

Deinen Schmerz und Weltverzicht

Du mir zeigst Dein dunkles Licht

Warst Du einsam als Du schriebst?

Ist es qualvoll wenn Du liebst?

So denk ich nach in jener Stund’

Wenn ich Dich les’ – mein Versverbund!

 

Dein Herz, das muss wohl fröhlich sein

Deshalb schreibst Du diesen Reim?

Im Moment scheint nur die Sonne

Lebst in wonnevoller Wonne

So fühl’ ich mit in jener Stund’

Wenn ich Dich les’ – mein Versverbund!

 

Krieg’ gar Angst wenn Deine Zeilen

Mein armes Herz in Stücke teilen

solch Grausamkeit Dir wahr geworden

als Dein Kind gestorben.

So fühl’ ich mit in jener Stund’

Wenn ich Dich les’ - mein Versverbund!

 

Gedankenvoll ich tauchen will

In Deinen hübschen Seelenmüll.

So gib mir doch noch mehr anheim

Denn ich verfall’ der Sucht nach Reim!

So zehrt’s an mir in jener Stund’

Wenn ich dich les’ – mein Versverbund!

 

Doch warum so sag es mir,

Verlang ich immer mehr von Dir?

Vielleicht ja weil mit süßem Klang

Des Wortes Schönheit in mich drang.

Du gibst mir viel in dieser Stund’

Ich danke Dir – mein Versverbund!

 

(Nikisha 2003)

 

Der Wurm

 

Hallo kleiner Wurm.

Hallo, Du.

Wer Du bist, Wurm, das frag ich mich.

Ich bin ein Teil von Dir.

Ein Teil von MIR?

Ja, bin ne Hirnwindung. Ne wichtige sogar!

 

Und welche?

 

Die Erinnerung. Deshalb weißte auch nix von mir.

Nimm mich wieder auf, dann ist wieder alles OK.

NIMM MICH AUF.

 

Doch das Mädchen kniff die Augen zu, trat kräftig auf den Wurm und zermatschte

diesen. Denn sie hatte soviel Selbstvertrauen gewonnen, dass sie zwar nicht mehr wusste,

wer der Wurm wirklich war, aber sich dachte, dass das was sie da aus ihrem Kopf

nach langer Qual mal rausgeschmissen hatte, da NIE wieder rein sollte.

 

(Nikisha 2003)